Fantastisches Nord-Indien (2008)
Indien ist ein Land der Gegensätze in vielerlei Hinsicht: Die Menschen zum Beispiel teilen sich in eine Vielzahl von höchst unterschiedlichen Gruppen ein. So zum Beispiel in je nach ihrer zugehörigen Religion friedliche, sanftmütige Wesen. Andererseits gibt es aber auch nicht wenige religiöse Extremisten jeglicher Couleur, die ihrer Überzeugung mit Gewalt Luft machen durch Verfolgung Andersgläubiger sowie Morde, Anschläge und andere Verbrechen. Die teilweise tausende Jahre alten Traditionen, Werte und Normen des hinduistischen Kastenwesens mischen sich mit dem Aufbrechen vieler Jugendlicher zu westlichen, modernen Ufern mit Handys, Internet-cafés und was sonst noch alles dazugehört. Die im Norden von Indien lebenden Menschen gehören vielen, verschiedenen Volksgruppen an, die sich genau so unterscheiden wie in Europa die Letten von den Italienern, Spanier, Serben, Deutschen und so weiter. Genauso unterschiedlich ist das Land in dem sie leben: von den höchsten Bergen der Welt mit ewigem Schnee im nördlich gelegenen Himalaya bis zu den kargen Wüsten Rajasthans oder den Palmenstränden in Goa, dem fruchtbaren Schwemmland des Ganges und den steppenartigen Gebieten vielerorts. Auch das äußere Alltagsbild Indiens ist beispielsweise für den Touristen gleichermaßen gegensätzlich: die teils riesigen, lauten Städte mit Verkehrschaos, Slums, Bettlern, Dreck und allen negativen Merkmalen, die eine massive Landflucht und völlig überhastete Modernisierung mit sich bringt. Gleichzeitig gibt es hier aber auch zum Beispiel die größte Filmindustrie der Welt, eine eigene Börse, eine teils stark ausgeprägte kulturelle Szene, mancherorts märchenhafte Paläste und so weiter. Gleichzeitig bestimmen in den ländlichen Gegenden nach wie vor Szenen des „alten Indien“ das Leben: Ochsenkarren, Frauen in knallbunten Saris, die mit Tonkrügen das Wasser aus den Dorfbrunnen holen, Kamelkarawanen, Wanderpilger, bezaubernde Landschaften und vieles mehr.
Ich besuchte Nord-Indien im Jahr 2008 bereits zum dritten Mal. Diesmal zusammen mit einem Bekannten, mit dem ich bereits ein Jahr zuvor durch Tibet reiste. Da meine erste Reise in dieser Region bereits knapp 30 Jahre zurücklag, war ich natürlich besonders gespannt darauf, was sich denn dort so alles verändert hat. Allerdings waren wir diesmal mit einem Wagen und einem Fahrer unterwegs, denn in den vier Wochen hatten wir uns ein „volles Programm“ vorgenommen.
Unsere Reise in Indien beginnt in Kalkutta. Diese Stadt hat weltweit das schlechteste Image aller Metropolen. Trotzdem übte sie bereits bei meiner ersten Reise eine gewisse Faszination auf mich aus. Die ersten zwei Nächte verbringe ich in demselben, einfachen Hotel wie bereits 1980. Ich wundere mich mächtig darüber, dass sich hier aber auch gar nichts verändert hat - immer noch ein Billig-Treffpunkt für Rucksacktouristen. Auf den ersten Blick hat sich auch in der Stadt wenig verändert. Erst auf den zweiten Blick sieht man jedoch, dass auch hier die moderne Zeit Einzug gefunden hat. Bereits am dritten Reisetag trennen wir uns dann vorübergehen, denn ich mache einen kurzen, dreitägigen Abstecher nach Bangladesh (was im Vortrag nicht gezeigt wird). Hier besuche ich zum ersten Mal mein SOS-Kinderdorf-Patenkind in Bogra im Norden, das ich seit 15 Jahren unterstütze. In der indischen Grenzstadt Malda treffe ich dann wieder auf meinen Mitreisenden Sergey. Gemeinsam fahren wir mit dem Auto nach Siliguri, um von hier aus dann ein Teilstück unserer Reise mit dem historischen Toy Train bis nach Darjeeling zu fahren – besser gesagt zu „zuggeln“. Dort stoßen wir dann wieder auf unseren Fahrer. In der Bergregion des Himalaya herrscht ein im Gegensatz zu Kalkutta sehr angenehmes Klima. Allerdings regnet es häufig, was für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlich ist. Wir bleiben ein paar Tage und schauen uns außer dem Städtchen beispielweise ein etwas außerhalb gelegenes Tibetisches Zentrum, eine Teeplantage mit dazugehöriger Fabrik und den atemberaubenden Sonnenaufgang vom Tiger Hill aus an.
Allerdings müssen wir für den folgenden 5-Tagetripp einen anderen Fahrer mit Jeep anheuern, da unserer keine Genehmigung für das teilautonome Sikkim hat. Hier machen wir eine Rundtour durch eine fantastische, ursprünglich-wilde Berglandschaft. Wir besuchen verschiedene Städtchen, mehrere buddhistische Klosteranlagen und einen Heiligen See, bevor wir in die Hauptstadt Gangtok kommen. Dieser Ort macht einen teilweise etwas verwahrlosten Eindruck, aber es gibt hier auch sehr viele schöne Sachen zu sehen. Auf dem Rückweg wieder nach Darjeeling besichtigen wir noch die bekannteste Anlage von Sikkim, das Kloster Rumtek.
Danach geht es wieder aus den Bergen in die flache, fruchtbare Gangesebene. Am zweiten Tag treffen wir in Bodhgaya ein. Das bekannte Städtchen ist an dem Platz gegründet worden, wo der Prinzensohn Gautama Siddharta unter einem Bodhi-Baum seine Erleuchtung erfuhr und fortan Buddha („der Erleuchtete“) genannt wurde. Somit ist dies der Heiligste Ort für seiner Anhänger. Hinter der wunderschönen Mahabodhi-Tempelanlage steht an derselben Stelle wie der ursprüngliche Bodhi-Baum ein großer „Ableger“ des Baumes aus Anuradhapura in Sri Lanka, welcher wiederum vom Originalbaum abstammen soll. Am Tag darauf geht es nach Varanasi, auch Benares genannt, die wohl „indischste“ Stadt in Indien. Wir genießen die quirlige, aber trotzdem sehr angenehme Atmosphäre an den Heiligen Ghats, den steinernen Treppen am Ganges. Auch die obligatorische Bootsfahrt auf dem Ganges bei Sonnenaufgang darf natürlich nicht fehlen. Vom Wasser aus ist das Treiben an den Ghats mit dem morgendlichen Bad der Gläubigen und selbst die Leichenverbrennungen besonders intensiv und übersichtlich zu beobachten. Nach einem Zwischenstopp in der völlig zu Unrecht wenig besuchten, aber sehr beeindruckenden Hauptstadt des Bundesstaates Uttar Pradesh, Lucknow, erreichen wir schließlich Agra, ein Höhepunkt jeder Indienreise. Denn hier ist das Taj Mahal zu bewundern, das wohl bekannteste Mausoleum und Wahrzeichen Indiens. Aber außer diesem Meisterwerk islamischer Mogularchitektur gibt es in Agra jedoch noch weitere, sehr sehenswerte Anlagen, so zum Beispiel das Itimat-du-Daula, ebenfalls ein Mausoleum. Von Agra aus fahren wir zu einem weiteren Highlight: Fatehpur Sikri. Diese „Geisterstadt“ wurde in einem insgesamt nur 50 Jahren währendem Zeitraum unter dem wohl bedeutendstem Mogul Akhbar im 5.Jahr-hundert erbaut, diente als Hauptstadt Nord-Indiens und wurde wegen des nicht in den Griff zu bekommenden Wassermangel dann gleich wieder verlassen.
Die letzte Woche unserer Reis verbrachten wir dann im Bundesstaat Rajasthan, der in Indien am meisten besuchten Gegend. Hier sahen wir uns Jaipur mit seinem Palast der Winde, dem weltberühmten Freiland-Observatorium neben dem Stadtpalast, der im Vorort Amber gelegenen Palastanlage und vieles mehr an. In einem Bogen besuchten wir noch auf dem Rückweg das in Blau gehaltene Pilgerstädtchen Pushkar, idyllisch an einem Heiligen See gelegen. Desweiteren die sehenswerte Stadt Bikaner, sowie das ehemalige Handelszentrum Mandawa, bevor wir dann schließlich in Indiens hektische Hauptstadt Delhi eintrafen, von wo wir nach vier völlig beeindruckenden Wochen unseren Rückflug antraten.